Sachkunde
von LAS interactive
(vtk online Modul C 01 Tierschutzrecht)
Die Sachkunde auf dem Gebiet der Tierversuche ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass alle Personen, die mit Tieren arbeiten, über die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und das ethische Bewusstsein verfügen, um verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen und das Wohlergehen der Tiere zu gewährleisten.
Gesetzliche Grundlagen und Richtlinien
Die Anforderungen an die Sachkunde sind in verschiedenen nationalen und internationalen Gesetzen und Richtlinien festgelegt. In Deutschland sind neben der Richtlinie 2010/63/EU das Tierschutzgesetz (TierSchG) und die Tierschutz-Versuchstierverordnung (TierSchVersV) die zentralen Rechtsgrundlagen. In zahlreichen Abschnitten des TierSchG und der TierSchVersV wird darauf verwiesen, dass alle Personen, die mit Versuchstieren arbeiten sachkundig sein müssen und sich regemäßig fortbilden sollen (siehe Tabelle).
Hierzu gehören:
- Personen, die Tiere töten (bspw. § 4 TierSchG)
- Tierpfleger
- Personen, die bei Tierversuchen mitarbeiten
- Personen, die Tierversuche planen und gestalten
- Versuchsleiter und Stellvertreter
- Tierschutzbeauftragter
- Tierhausleiter (Inhaber der „§ 11 genehmigung“)
§ 4 Abs. 1 und 1a TierSchG § 4b S. 1 Nr. 1 lit. d-e TierSchG | Sachkunde zur Tötung von Tieren |
§ 7 Abs. 1 S. 3 TierSchG | Tierversuche dürfen nur von fachkundigem Personal geplant und durchgeführt werden |
§ 9 Abs. 1 TierSchG | Ermächtigung nähere Vorschriften bezüglich der Sachkunde zu erlassen |
§ 3 TierSchVersV | Sachkunde: Tierpflege und Tötung von Tieren |
§ 4 TierSchVersV | Organisationspflichten: Tierpflegepersonal und Versuchsdurchführende/Planer müssen sachkundig sein und fortlaufend geschult werden, Versuchsdurchführende müssen beaufischtigt werden, bis die Sachkunde in der Praxis nachgewiesen wurde |
§ 16 TierSchVersV | Sachkunde: Versuchsdurchführende, "Planer" der Tierversuche |
Anlage 1 TierSchVersV | Erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten für die Pflege oder das Töten von Tieren und die Planung oder die Durchführung von Tierversuchen |
Art. 23 RL 2010/63/EU | Sachkunde des Personals (s. Anhang V der Richtlinie für Mindestanforderungen); + Ausbildungsrahmenplan der EU "Expert Working Group on Education and Training in LAS" |
Die Sachkunde steht in Bezug zu den Forderungen der RL 2010/63/EU, nach denen die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass das gesamte Personal, das mit Versuchstieren arbeitet, ausreichend geschult ist, bevor die Arbeit mit den Tieren aufgenommen wird (Art. 23 Abs. 2 RL 2010/63/EU) und auch entsprechend weitergebildet wird (Art. 24 Abs. 1 lit. c RL 2010/63/EU). Zudem müssen Mitgliedstaaten Mindestanforderungen an die Sachkunde des Personals, in Anlehnung an Anhang V der Richtlinie, veröffentlichen (Art. 23 Abs. 3 RL 2010/63/EU). Anhang V beinhaltet die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die Arbeit mit Versuchstieren vorhanden sein müssen. In Deutschland werden die Anforderungen an die Sachkunde in § 16 und § 17 TierSchVersV sowie Anlage 1 Abschnitt 1 - 3 TierSchVersV ausgeführt. In den §§ 16 - 17 TierSchVersV wird der erforderliche berufliche/fachliche Hintergrund der Personen, die Tierversuche oder auch Narkosen durchführen dürfen, festgehalten und gefordert, dass bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten, die in Anlage 1 Abschnitt 3 TierSchVersV näher bezeichnet werden, für die Durchführung der Tätigkeiten nachweislich vorhanden sein müssen. Dabei wird bei der Durchführung von Tierversuchen zwischen Versuchen mit und ohne operative Eingriffe unterschieden (§ 16 TierSchVersV).
In der Anlage 1 der TierSchVersV werden die Themenbereiche benannt, die nachweislich als Kenntnisse und Fähigkeiten für die Arbeit mit Versuchstieren für das Tierpflegepersonal, Personen die Tiere töten und Versuchsdurchführende sowie Personen, die Versuche planen, vorhanden sein müssen. Diese sind unter anderem
- Kenntnisse über Recht und Ethik
- Kenntnisse zur Biologie und dem Verhalten von Versuchstieren
- Kenntnisse zur Einschätzung von Wohlbefinden und Belastung
- Kenntnisse der Haltung
- sowie die erforderlichen praktischen Fähigkeiten inkl. der Betäubung und schmerzlindernder Methoden sowie der Tötung von Tieren.
In Abhängigkeit von der Komplexität und der Art der Eingriffe oder der Behandlungen der Tiere werden unterschiedliche Anforderungen an die zugrunde liegende Ausbildung und an die erforderlichen Kenntnisse der beteiligten Personen gestellt.
Die Europäische Kommission hat vor diesem Hintergrund ein modulares Konzept für die versuchstierkundliche Ausbildung vorgeschlagen: Gemeinsame Kern-Module (core modules) sollen von allen Personengruppen (Funktionen) des Art. 23 Abs. 2 RL 2010/63/EU absolviert und tätigkeitsspezifische Qualifikationen über zusätzliche Module („function- und task-specific modules) erlangt werden (Expert Working Group on Education and Training, 2012). Dabei sollen Module, wie zu Biologie, Haltung und praktische Methoden etc. eine spezies-spezifische Ausrichtung erhalten und so einem Baukasten-System gleich kombiniert werden können.
Zu allen strukturierten Ausbildungsprogrammen gehört auch eine praktische Ausbildung, in der die erforderlichen praktischen Fähigkeiten (Skills) erlernt werden.
Die "Expert Working Group" sieht in der Ausbildung insgesamt ein mehrstufiges Konzept, vom Erlernen grundlegender Kenntnisse und Fähigkeiten bis hin zum Erwerb der erforderlichen Kompetenz zum Ausüben der Tätigkeit. Erst wenn diese erreicht wird, darf die Tätigkeit eigenständig und ohne Aufsicht ausgeübt werden (s. auch § 4 Nr. 3 TierSchVersV). Darüber hinaus sollen die Kenntnisse und Fähigkeiten über eine kontinuierliche Aus-, Fort- und Weiterbildung, dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nach, aufrechterhalten werden.
FELASA und GV-SOLAS
FELASA (Federation of European Laboratory Animal Science Associations) und GV-SOLAS (Gesellschaft für Versuchstierkunde) sind Organisationen, die sich mit der Förderung und Weiterentwicklung der Versuchstierkunde befassen. Beide spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung von Ausbildung, Forschung und Tierschutz im Zusammenhang mit der Verwendung von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken. Die Zertifizierungsprogramme für versuchstierkundliche Kurse der FELASA und der GV-SOLAS orientieren sich an den Empfehlungen der EWG und den in Art. 23 Abs. 2 RL 2010/63/EU benannten Personengruppen. Es wird differenziert zwischen Kursen für
- Funktion A – Personen, die Tierversuche durchführen
- Funktion B – Personen, die Tierversuche planen (Anm.: Akademischer Hintergrund erforderlich)
- Funktion C – Personen, die Tiere pflegen
- Funktion D – Personen, die Tiere töten
In der Regel werden in den Kursen jedoch die Qualifikationen für mehr als eine Funktion abgedeckt (min. A und D).
Achtung: Auch Personen, die Tiere ohne Versuchszwecke, bspw. im Rahmen von züchterischen Maßnahmen oder zur Organentnahme (§ 4 TierSchG) töten, müssen sachkundig sein und entsprechend geschult werden!
Mitarbeit bei Tierversuchen
Alle Personen, die bei einem Tierversuch mitarbeiten, müssen die erforderlichen Qualifikationen für die durchzuführenden Tätigkeiten der Behörde vorlegen (in der Regel Teilnahme an einem versuchstierkundlichen Kurs, Aktenzeichen voriger Tierversuchsanträge etc.). Die Nachweise werden zusammen mit dem Tierversuchsantrag vom Versuchsleiter/Antragsteller (siehe "Genehmigung") bei der Behörde eingereicht. Sollen neue Personen bei einem bereits laufenden Tierversuch mitarbeiten, müssen diese Personen der Behörde vom Versuchsleiter namentlich benannt werden und die entsprechenden Nachweise über die Kenntnisse und Fähigkeiten für die Mitarbeit eingereicht werden. Dabei obliegt es der Behörde zu entscheiden, ob die Qualifikationen ausreichend sind. Vor Erlaubnis durch die Behörde dürfen die Personen nicht mit den Tätigkeiten beginnen. Sind die Qualifikationen der Ansicht der Behörde nach nicht ausreichend, müssen die fehlenden Kenntnisse erlangt und nachgewiesen werden, bevor die Tätigkeiten aufgenommen werden dürfen.
Weiterbildung
Neben der grundlegenden Vorgabe, dass Personen, die mit Versuchstieren arbeiten, fachkundig sein müssen, sind Einrichtungen per Gesetz verpflichtet das Personal fortwährend weiterzubilden und entsprechende Maßnahmen für dessen Weiterbildung zu schaffen bzw. diese zu ermöglichen. Die Dokumentation der Aus-, Fort- und Weiterbildung obliegt der Einzelperson, der Nachweis von Weiterbildungen (gegenüber der Behörde) ist bisher noch nicht gesetzlich geregelt (Stand 11/2021).
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Weiterführende Informationen
LAS interactive: Informations- und Schulungsplattform für die Versuchstierkunde
FELASA (Federation of European Laboratory Animal Science Associations)
GV-SOLAS (Gesellschaft für Versuchstierkunde / Society of Laboratory Animal Science)